29. März 2021

Wie die Kleinen die Großen aufmischen.

In den letzten Tagen bekommen die neuen digitalen Broker ziemlich viel Kritik ab und mit Sicherheit ist an den Vorwürfen auch etwas dran. Dennoch bewirken die neuen Broker mit ihren neuen Gebührenmodellen einiges (auch durchaus positives) in der Branche. Die Finanz- und Investmentbranche hinkt in vielen Teilen anderen innovativen Branchen weit hinterher. In Bezug auf technische Innovationen und Kundenorientierung hängt man noch irgendwo im letzten Jahrhundert fest. Viele andere Branchen hätten diesen Stillstand gar nicht überlebt. Doch das finanzielle Fettpolster und die hohen Einstiegsbarrieren sorgten dafür, dass kein wirklicher Leidensdruck entstand, der die großen Player dazu gezwungen hätte, sich zu verändern. Wenn man sich die Gebühren und Geschäftsprozesse anschaut, kann man manchmal nur mit dem Kopf schütteln.

Digitalisierung in der Finanzbranche? Für viele: Nein danke.

Oderkosten von bis zu 20€ pro Order für Aktien, Zertifikate oder Fonds sind nicht sehr förderlich für die Aktienkultur in Deutschland. Aus Gesprächen mit Kunden hört man heraus, dass die Allgemeinheit selbst 5-10€ Orderkosten noch normal findet. Dabei kann man bei Brokern aus den USA schon lange Aktien für ca. 2€ ordern. Dazu kommt, dass der Zugang zu den Märkten sehr kompliziert wirkt. Einen Kauf von beispielsweise 20 Daimler Aktien umzusetzen erfordert bei manchen Anbietern fast ein BWL-Studium.

Ein Ruck geht durch die Branche

Fast aus dem Nichts entstehen neue Broker, die nur mit einer einzigen App klarkommen. Einfach ein Depot eröffnen, ohne das Haus verlassen zu müssen, ein paar Klicks tätigen und schon ist die erste Aktie gekauft. Entweder es gibt sehr geringe Orderkosten oder gar keine wie bei Robin Hood aus Amerika. Die Bedienung ist kinderleicht und man bekommt eine gute Übersicht seiner einzelnen Positionen auf dem Handy dargestellt. Vor wenigen Jahren noch wurde in einem meiner alten Depots die Wertanzeige bei Aktien nur täglich aktualisiert. Ein Unding nach heutigen Maßstäben. Als ich mir selbst ein Depot bei einem Neo-Broker erstellt habe, um es zu testen, war ich wirklich erstaunt. Da hat sich wohl zum ersten Mal jemand hingesetzt und konsequent überlegt, wie man den Aktienkauf zu einem angenehmen Erlebnis machen könnte? Gedanken und Strategien, die in anderen Branchen schon lange zu großen Veränderungen in der Kundenbeziehung geführt haben, finden hier plötzlich Einzug. Fast über Nacht gewinnen die neuen in der Branche viele neue Kunden und sammeln mit einem Rekordtempo Vermögen ein, sodass die Alteingesessenen nur neidisch zuschauen können. Die Sparkassen würden sich freuen, wenn es bei Depoteröffnungen auf Grund der Nachfrage zu Verzögerungen kommt und nicht, weil der einzige Mensch, der die Erlaubnis dafür hat, gerade im Urlaub ist. Natürlich gibt es auch andere Faktoren, die die Nachfrage nach dem Aktienhandel gerade sehr beflügeln, aber es liegt zu großen Teilen auch daran, dass man den Kundengewinnungsprozess völlig neu gedacht hat. Man kann fast zuschauen, wie sich die alten Broker langsam verändern und neue Gebührenmodelle auf den Markt bringen. Und das ist etwas Gutes! Lange gab es keinen frischen Wind in der Branche und der neue Wettbewerb ist gut für uns als Anleger, da sich mal jemand wirklich um die Kunden bemüht.

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Doch gerade weil es so einfach und spielerisch von der Hand geht, führt es in manchen Bereichen zu wilden Spekulationen. Viele schnell blinkende Zahlen verleiten zu unüberlegtem oder Verkauf. Das Geschäftsmodell baut darauf auf, dass man viel hin und her handelt. Nur wenige Stellen sich die Frage, wie der Broker überhaupt überlebt, wenn man nur sehr geringe oder keine Orderkosten zahlt. Für einen Anfänger ist es beispielsweise unmöglich zu prüfen, welche Qualität die Kurse haben, zu denen man Aktien handelt. Der Vorteil, dass alles so einfach und übersichtlich ist, ist hier der Nachteil. Oft sind die Kurse, die man zum Handeln bekommt deutlich schlechter als die von professionellen deutschen Brokern (CapTrader, Lynx Broker). Daran kann der Broker dann im Hintergrund dazu verdienen. Man sieht nicht einmal, dass es verschiedene Handelsplätze gibt, an denen sich die Kurse und Volumina stark unterscheiden können. Der Broker Robin Hood aus Amerika geht da noch einen Schritt weiter. Er verkauft den gesamten Orderflow an andere Broker oder Hedgefonds, die daraus dann ihre Vorteile ziehen.

Die versteckten Kosten

Um zu verstehen, wie Broker fast ohne Orderkosten überhaupt überleben, muss man verstehen, wie Kauf- und Verkaufsaufträge bei solchen Brokern abgewickelt werden. Im Fall von Trade Republic kauft man seine Aktien nicht an einem der üblichen Handelsplätze (Xetra, Nasdaq, NYSE, etc.), sondern man handelt ausschließlich mit dem Investmenthaus Lang & Schwarz, der als Makler auftritt. Wenn man eine Aktie kauft, bekommt man die von Lang & Schwarz, die dann auch den Kurs stellt, zu dem man handelt. L&S selbst kauft sich diese Aktien dann am Markt ein, aber zu deutlich besseren Kursen. Für jede Order bekommt Trade Republic bis zu 3€ von L&S und die müssen irgendwo verdient werden.

Als Extrembeispiel kann man hier die A Aktie von Berkshire Hathaway nennen (siehe unten). Schaut man sich hier den Brief- und Geldkurs an, bedeutet es, dass man die Aktie zu 302.000€ kaufen und zu 297.000€ verkaufen würde. Die 5.000€ Differenz gehen an L&S. Bei dem Trade wäre es egal, ob man 1€, 10€ oder 100€ Orderkosten zahlen würde. Natürlich sind die sog. Spreads (Differenz zwischen Brief- und Geldkurs) bei liquiden Aktien wie Apple oder Daimler geringer, aber bei höheren Handelsvolumen sind die realen Gebühren bei den neuen Brokern nicht mehr so attraktiv.

Unbenannt 2


Ähnlich verhält es sich bei dem Kauf von Fonds. Der Vermittler bekommt einen Teil der Verwaltungskosten der Fonds regelmäßig als Provision ausgezahlt. Der Vermittler könnte diese an den Kunden weiterleiten – passiert aber in den meisten Fällen nicht.

Wir bei iunto Finanzen versuchen so transparent wie möglich zu sein und geben diese Rückvergütungen an unsere Kunden weiter.

Es kommt noch einiges auf uns zu

Unter dem Strich würde ich sagen, dass es trotz der kleinen negativen Auswüchse hier und da grundsätzlich eine positive Entwicklung ist. Dadurch wurde ein Stein ins Rollen gebracht, der für uns Aktienanleger noch einige spannende Entwicklungen mit sich bringt. Selbst wenn man kein Depot bei Trade Republic & Co. besitzt, kann man sich bei seinem jetzigen „etablierten“ Broker auf Verbesserungen freuen, da diese versuchen mit der Entwicklung Schritt zu halten, kundenfreundlicher zu werden, um keine Kunden zu verlieren.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine spannende Entwicklung!

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Autor

Christian KönigFinanzberater

Veröffentlicht am

29. März 2021

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